Hilfe, mein Kind braucht Therapie! Wege zur logopädischen Verordnung ...

Dein Kind entwickelt sich sprachlich nicht so wie seine Geschwister? Dir fällt auf, dass die gleichaltrigen Kinder im Kindergarten in ihrer sprachlichen Entwicklung schon weiter sind? Außenstehende verstehen Dein Kind schlecht? Dann wird es Zeit, die Sprachentwicklung Deines Kindes genauer unter die Lupe zu nehmen. Dabei ist es wichtig zwischen Förder- und Therapiebedarf zu unterscheiden. Wer das kann und wie der genaue Ablauf ist, zeige ich Dir hier.

 

Vorab noch eine Info: Du bist nicht allein! Sprachentwicklungsstörungen sind die häufigste Entwicklungsauffälligkeit bei Kindern. Ungefähr 5 bis 8% aller Kinder in Deutschland sind von einer Sprachentwicklungsstörung betroffen – Jungen doppelt so oft wie Mädchen. 

Erster Schritt: Mein Kind hat sprachliche Probleme!

Ich mache mir Sorgen, und dann? Mit wem teile ich sie und wer kann mir wirklich weiterhelfen? Erste Anlaufstelle ist in dem Fall immer der Arzt. Logopäden dürfen nur auf eine Verordnung hin tätig werden. Sie gehören zu den sogenannten Heilmittelerbringern – genau wie auch Physio- und Ergotherapeuten. Das heißt, der Weg zur Logopädie führt immer über einen Mediziner. Das muss nicht unbedingt der Kinderarzt sein. Auch Hausärzte, Phoniater, Pädaudiologen, HNO-Ärzte, Neurologen, Kieferorthopäden und Zahnärzte können Logopädie verordnen. Die Anlaufstelle ist abhängig von den Anzeichen, die Dein Kind zeigt. Hast Du das Gefühl, die Sprache entwickelt sich nicht altersentsprechend, weil Dein Kind schlecht hört und viel nachfragt? Dann ist der HNO-Arzt oder Pädaudiologe die richtige Wahl. Schon am zweiten Geburtstag Deines Kindes ist die Beurteilung der Sprachentwicklung ein wichtiger Bestandteil der U7 beim Kinderarzt. Dein Kind spricht noch keine 50 Wörter? Dann sprich Deinen Kinderarzt darauf an.

Wichtig ist, dass Du Vertrauen zu dem Arzt hast und ihm die Fragen stellen kannst, die Dir auf der Seele brennen. Schließlich ist die Entwicklung des eigenen Kindes immer ein sehr sensibles Thema.

Schritt 2: Die Heilmittelverordnung - wofür brauche ich sie?

Der Arzt sieht den Bedarf, dass Dein Kind therapeutisch unterstützt werden sollte? Dann gibt es eine Heilmittelverordnung! Auf dieser stehen alle Informationen, die der Arzt, der Logopäde und die Krankenkasse brauchen, um sich auszutauschen. Der Logopäde weiß so, welche sprachlichen Auffälligkeiten der Arzt bei Deinem Kind entdeckt hat und die Krankenkasse später, welche Leistung der Logopäde erbracht hat. Ohne die Heilmittelverordnung darf der Logopäde nicht mit seiner Arbeit beginnen. Daher ist sie eine wichtige Zwischenstation auf dem Weg zum Logopäden. Keine Verordnung – keine Therapie. 

Sobald Du die Heilmittelverordnung vom Arzt erhalten hast, kannst Du einen Termin in einer logopädischen Praxis anfragen.

Schritt 3: Wie finde ich den richtigen Logopäden?

Jetzt fragst Du Dich sicher: nach welchen Kriterien suche ich denn nun einen Logopäden aus? Genau wie bei der freien Arztwahl, darfst Du auch hier selbst eine für Dich geeignete Praxis auswählen. Um die Regelmäßigkeit zu gewährleisten, macht es Sinn eine wohnort- oder kindergartennahe Praxis auszuwählen. Schaue gut, auf welche Fachbereiche sich die Therapeuten dort spezialisiert und welche Fortbildungen sie besucht haben. Bilden sich die Logopäden dort regelmäßig fort? Und wenn ja - auch im Bereich der Kindersprache?

So kannst Du den richtigen Ansprechpartner für Dein Kind finden. Logopäden in Deiner Nähe findest Du auch unter: www.dbl-ev.de/service/logopaedensuche/.

Schritt 4: Anamnese und Diagnostik - was muss ich wissen?

Du warst bei einem Arzt mit Deinem Kind, er hat einen Behandlungsbedarf festgestellt und Dir eine Heilmittelverordnung mitgegeben. Du hast den richtigen Logopäden für Dein Kind gefunden und einen Termin vereinbart. Jetzt kann es losgehen! Du fragst Dich sicher, wie der erste Termin abläuft und was Dich und Dein Kind erwartet.  

Bevor der Logopäde sich die sprachlichen Leistung Deines Kindes anschaut, führt er eine sogenannte Anamnese durch. Hier werden Dir Fragen zur Entwicklungsgeschichte Deines Kindes gestellt. Auch zu anderen Entwicklungsbereichen, nicht nur der Sprache. Das ist so, weil Sprache sich nie losgelöst von anderen Fähigkeiten entwickelt. Um hier gezielte Auskünfte zu geben, solltest Du Dir die Meilensteine Deines Kindes noch einmal ins Gedächtnis rufen. Wann hat es begonnen zu krabbeln, wann zu laufen? In welchem Alter kamen die ersten Worte? Welche waren das? Wann hat Dein Kind begonnen erste Wörter zusammenzusetzen („Mama Auto.“, „Papa Ball.“)? Wann hat es die ersten vollständigen Sätze gebildet? Hilfreich ist dafür auch das U-Heft Deines Kindes. Hier sind nicht nur wichtige Informationen, wie z.B. die APGAR-Werte Deines Kindes direkt nach der Geburt festgehalten, sondern auch Anmerkungen des Arztes zu Beobachtungen während der letzten U-Untersuchungen. Bringe es also gern mit. Dann kann der Logopäde ggf. eine Kopie für die Patientenakte Deines Kindes machen. Du wirst auch danach gefragt, was Du von der Therapie erwartest und was Deine Wünsche hinsichtlich der Sprachentwicklung Deines Kindes sind.

Nachdem die ersten Fragen geklärt sind, geht es um das Wichtigste beim ersten Termin: die Untersuchung der sprachlichen Fähigkeiten Deines Kindes. Wenn Dein Kind sich schon im Vorschulalter befindet, wird diese Überprüfung in der Regel allein mit Deinem Kind durchgeführt. Du nimmst solange im Wartezimmer Platz. So ist es nicht abgelenkt und kann sich ganz auf die Aufgaben konzentrieren. Wenn eine Loslösung noch nicht möglich ist, wird die Diagnostik natürlich in Deinem direkten Beisein umgesetzt. Wenn Du dabei bist, habe ich noch ein paar Tipps für Dich: Setze Dein Kind nicht unter Druck. Es ist überhaupt nicht schlimm, wenn es eine Aufgabe nicht richtig löst und Fehler macht. Die Testmaterialien sind so aufgebaut, dass Dein Kind gar nicht alle Aufgaben erfolgreich bewältigen muss. Das kommt dadurch, dass die Materialien gleichzeitig auch für ältere Kinder gedacht sind. Test hört sich immer sehr hart und überprüfend an, aber so ist es nicht. Dein Kind wird spielerisch an die Aufgaben herangeführt. Es wird es eher als eine Art Bilderbuchanschauen wahrnehmen. Viele Kinder sind sehr stolz zu zeigen, was sie schon können. Schließlich wird in erster Linie erfasst, was Dein Kind schon alles beherrscht und wo seine Kompetenzen liegen. Der Fokus liegt nicht auf den Dingen, die es sprachlich noch nicht kann. Ziel ist, herauszufinden, wo Dein Kind in der Entwicklung feststeckt. Nach der Testung wird der Logopäde Dir grob bereits einige Ergebnisse mitteilen und im Nachgang noch eine differenzierte Auswertung vornehmen. Danach schreibt er einen Bericht für den Arzt. 

 

Vielleicht macht es Sinn, weitere Therapeuten oder die Erzieherinnen des Kindergartens von der Schweigepflicht dem Logopäden gegenüber zu entbinden. Falls Deine Therapeutin das notwendig findet, wird sie Dich darum bitten. So können sich alle Disziplinen austauschen und gemeinsam die Entwicklung Deines Kindes unterstützen. Auf Grundlage der ärztlichen und logopädischen Beurteilung wird dann festgelegt, ob Dein Kind Therapie benötigt und wie häufig. Meist kommen die Kinder ein- bis zweimal die Woche in die Praxis. Das hängt ganz von den sprachlichen Fähigkeiten Deines Kindes ab. Es ist auch möglich, dass die Logopädin nach der ersten Untersuchung entscheidet, Deinem Kind noch ein halbes Jahr für die Entwicklung Zeit zu geben und Dir Tipps mitgibt, wie Du es zu Hause in der Zeit fördern kannst. Dann wird nach einem halben Jahr überprüft, ob Dein Kind ohne Therapie Fortschritte erzielen konnte.

Schritt 5: Was erwartet uns in der logopädischen Therapie?

Puh, jetzt hast Du die wichtigsten Stationen hinter Dir. Wenn Arzt und Logopäde sich einig sind, kann die Therapie starten. Zu Beginn kannst Du noch einmal Unklarheiten und Fragen klären, die Du zur Sprachentwicklung Deines Kindes hast. Auf Grundlage der Diagnostikergebnisse und den Wünschen von Dir hinsichtlich der Sprache und Kommunikation Deines Kindes hat der Logopäde Behandlungsziele entwickelt. Diese wird er noch einmal intensiv mit Dir besprechen und auch kindgerecht an Dein Kind herantragen. Darüber hinaus schaut ihr, welches Ziel am wichtigsten für eine Verbesserung der alltägliche Kommunikation Deines Kindes ist. Auch werdet ihr besprechen, wie ihr zu Hause dazu beitragen könnt, dass die Therapieziele erreicht werden. Dazu gehören z.B. häusliche Übungen. Aber nicht nur das: am allerwichtigsten ist, dass die Therapie regelmäßig wahrgenommen wird. Das bedeutet auch, ihr solltet euch im familiären Rahmen über die Priorität der Therapie klar werden. Die sprachliche Unterstützung kann nicht wirken, wenn sie unregelmäßig oder zu selten stattfindet. Mittlerweile gibt es erste Studien, die belegen, welche Therapiefrequenz für welche sprachliche Problematik am besten geeignet ist. Euer Logopäde kennt sich hier aus – vertrau ihm. Der Logopäde möchte das Beste für Dein Kind und freut sich über sprachliche Fortschritte genauso wie Du. Daher unterstütze ihn in der Arbeit bei dem Wertvollsten, was Du hast – Deinem Kind.  

Schritt 6: Prognose - wann ist die Therapie beendet?

Wie lange Dein Kind therapeutisch unterstützt werden sollte, das hängt von sehr vielen individuellen Faktoren ab.

Welche Stärken hat Dein Kind, welche Ressourcen stecken in ihm? Wie sind die Voraussetzungen in anderen Entwicklungsbereichen? Nehmt ihr regelmäßig an der Therapie teil? Ist die häusliche Unterstützung ausreichend? Welche sprachliche Fähigkeit wird therapiert? Hat Dein Kind Freude an der Therapie? Kann es sich gut konzentrieren? Alles das spielt unter anderem eine Rolle für die Prognose. Deshalb kann man diese Frage nicht pauschal beantworten. Wichtig für Dich zu wissen ist, dass durch die logopädische Therapie von außen versucht wird, Entwicklungsblockaden aufzulösen. So kann Dein Kind die nächste sprachliche Stufe selbstständig erreichen. Wir als Therapeuten sind also diejenigen, die gemeinsam mit Dir und Deinem Kind die Steine aus dem Weg räumen, die es an der Weiterentwicklung hindern. Das übergeordnete Ziel ist dann, dass Dein Kind die nächsten Schritte eigenständig gehen kann. Bei dem einen Kind sind das viele und große Steine, bei dem anderen sind es kleine, die aber vielleicht sehr hartnäckig den Weg versperren. Aber keine Angst: wir haben ein ganzes Repertoire an Möglichkeiten, um diese wegzuschaffen. Manchmal braucht es dafür nicht nur ein logopädisches, sondern vielleicht zusätzlich noch ein physiotherapeutisches oder ergotherapeutisches Werkzeug. Dann ist der Weg ein wenig weiter und es bedarf mehrerer Stationen. Generell kann man aber sagen, dass die Sprachtherapie möglichst vor dem Schuleintritt erfolgreich beendet werden sollte.

Schulkinder, die eine Sprachentwicklungsstörung zeigen, benötigen viel länger, um die bestehenden Probleme zu überwinden und der Therapieeffekt ist viel geringer. Das heißt für Dich: nicht abwarten! Trau Deinem ersten Bauchgefühl und lass den sprachlichen Entwicklungsstand checken. Meistens hat Deine Intuition Recht. So kann bei einer Behandlungsbedürftigkeit früh erfolgreich eingegriffen werden. Und wenn sich dann herausstellt, dass eine Behandlung nicht notwendig ist, hast Du ein sicheres Gefühl mit dem Wissen, dass alles in Ordnung ist.